Die Rolle der
Östrogene

Östrogene sind die bekanntesten weiblichen Sexualhormone. Das Wort Östrogen oder Estrogen kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Leidenschaft“ oder „Schwung“. Was in der Alltagssprache als „Östrogen“ häufig für „das Sexualhormon der Frau“ steht, ist eigentlich ein Sammelbegriff für verschiedene Östrogene. Es gibt mehr als 30 verschiedene Hormone, die in dieser Gruppe zusammengefasst werden. Die wichtigsten sind vor allem die Östrogene Estradiol, Estron und Estriol. Insbesondere das Estradiol ist unverzichtbar für die weibliche Fruchtbarkeit.

Wozu brauchen wir Östrogene?

Östrogene sorgen für die Entwicklung vom Mädchen zur geschlechtsreifen Frau. Noch im Mutterleib bilden sich unter dem Einfluss der Östrogene bereits die primären weiblichen Geschlechtsmerkmale (z. B. Vagina und Eierstöcke) aus. In der Pubertät sorgen Östrogene für die Ausprägung der sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale (z. B. Brüste, geschlechtsspezifische Körperproportionen, Fettverteilungsmuster).

Darüber hinaus schützen Östrogene vor Trockenheit der Haut und der Scheide. Sie sind wichtig für die Knochengesundheit, schützen vor Harnwegsinfektionen und fördern die Gedächtnisleistung. Östrogene sind an der Blutdruckregulation beteiligt, beeinflussen die Zusammensetzung der Fette im Blut sowie den Zuckerstoffwechsel positiv und schützen vor Gefäßverkalkung. Diese Funktionen der Östrogene liefern auch eine Erklärung dafür, dass bei Frauen das Auftreten von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den postmenopausalen Jahren stark ansteigt. Während in jüngeren Jahren das Risiko für Herzinfarkte bei Frauen deutlich niedriger als bei Männern ist, gleicht es sich nach der Menopause dem der Männer an.

Die Steuerung der Fruchtbarkeit beginnt im Gehirn

Während der fruchtbaren Jahre bereitet sich der weibliche Körper jeden Monat auf die Befruchtung einer Eizelle und deren Einnistung in der Gebärmutter vor. Dieser Zyklus unterliegt einer hormonellen Regulation.

Im Zwischenhirn, genauer durch Hormone des Hypothalamus und der Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), wird die Produktion und Freisetzung der sogenannten „Fruchtbarkeitshormone“ stimuliert. Wichtig für die Zyklusregulation sind zwei Hypophysenhormone: das luteinisierende Hormon (LH) und das follikelstimulierende Hormon (FSH). Folgende Aufgaben übernehmen LH und FSH im weiblichen Körper:

  • Das FSH stimuliert in der ersten Zyklushälfte die Bildung von Estradiol im Eierstock. FSH und Estradiol werden gemeinsam für die Heranreifung der Eizellen benötigt.
  • Das LH unterstützt in der ersten Zyklushälfte die Bildung von Estradiol in den Eierstöcken und löst zudem, etwa in der Zyklusmitte, durch einen steilen Konzentrationsanstieg den Eisprung aus. Dieser Zusammenhang ist essenziell für die Fortpflanzung. Nach dem Eisprung, in der zweiten Zyklushälfte, fördert LH die Entwicklung des Gelbkörpers (Corpus luteum) aus der verbliebenen Eihülle, welcher in Folge das Gelbkörperhormon – auch Progesteron genannt – produziert. Progesteron ist das Hormon, das die Gebärmutter auf die Schwangerschaft vorbereitet und zur Aufrechterhaltung der Schwangerschaft dient.

Die Konzentrationen von FSH und LH im Blut werden vom Arzt beispielsweise bei unerfülltem Kinderwunsch, bei Störungen der Pubertät oder einer Unterfunktion der Eierstöcke untersucht.

Die wichtigsten Östrogene: Estradiol, Estron und Estriol

  • Estradiol ist das wirksamste Östrogen beim Menschen. Es zählt gemeinsam mit Progesteron zu den wichtigsten weiblichen Sexualhormonen. Das Verhältnis der beiden zueinander ist essenziell für die Geschlechtsdifferenzierung, die Regulierung des Menstruationszyklus und den Eintritt sowie die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft. Bei Frauen steigt die tägliche Produktion von Estradiol in der ersten Zyklushälfte insbesondere in den Eierstöcken stark an (von 70 bis 150 µg auf 200 bis 400 µg). Dieser Anstieg bewirkt durch eine positive Rückkopplung eine sprunghafte Steigerung in der LH- und FSH-Ausschüttung der Hypophyse. Durch diesen Anstieg wird der Eisprung ausgelöst. Nach dem Eisprung fällt die Estradiolausschüttung wieder ab auf einen täglichen Level von 150 bis 300 µg. Mit der Perimenopause nimmt die Estradiolproduktion stetig ab und kommt mit der Menopause (Zeitpunkt der letzten Menstruationsblutung) durch Erlöschen der Eierstockfunktion allmählich zum Erliegen. Mit Beginn der Postmenopause (ein Jahr nach der letzten Menstruationsblutung) werden mit 5 bis 25 µg pro Tag nur noch sehr geringe Estradiolmengen vor allem in der Nebennierenrinde und im Fettgewebe produziert.
  • Estron ist weniger wirksam, aber nach Estradiol das zweitstärkste Östrogen der Frau und in der Postmenopause besonders wichtig. Estron kann in Estradiol umgewandelt werden und stellt dadurch vorrangig eine Speicherform des Estradiol dar. Der Hauptanteil von Estron wird wie Estradiol in den Eierstöcken gebildet, darüber hinaus 20 – 30 % im Fettgewebe und in der Nebennierenrinde. In der Postmenopause kommt es durch die erloschene Aktivität der Eierstöcke zu einer Verschiebung des Estradiol/Estron-Verhältnisses im Serum hin zum Estron, das in dieser Lebensphase fast ausschließlich im Unterhautfettgewebe produziert wird. Liegt das Verhältnis vor der Menopause noch bei 2:1, so kehrt es sich in der Postmenopause um zu einem Verhältnis von circa 1:2.
  • Estriol ist ein schwach wirksames Östrogen. Es wird hauptsächlich während der Schwangerschaft in der Plazenta (Mutterkuchen) hergestellt, weshalb es häufig Schwangerschaftsöstrogen bezeichnet wird. Lokal wird Estriol dennoch vielfach in Form von Vaginalcremes, -zäpfchen oder -tabletten, zum Beispiel bei entzündlichen Veränderungen der Scheidenhaut mit Gewebeschwund während und nach den Wechseljahren, angewendet.

Was sind die frauenspezifischen Wirkungen der Östrogene?

Östrogene sind verantwortlich für die Ausbildung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Zu den primären Merkmalen zählen alle, die direkt der Fortpflanzung dienen (wie zum Beispiel Gebärmutter, Eierstock, Scheide). Unter den sekundären Merkmalen versteht man solche, die nicht unmittelbar an der Fortpflanzung beteiligt sind. So dient beispielsweise die weibliche Brust in erster Linie dem Stillen von Säuglingen.

Im Einzelnen zeigen die Östrogene folgende Auswirkungen auf die Geschlechtsorgane:

  • Eierstöcke (Ovarien)
    • Regulation des Menstruationszyklus
    • Reifung von befruchtungsfähigen Eizellen
  • Gebärmutter (Uterus):
    • Vorbereitung der Einnistung (Nidation) der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter durch Ausbildung und Verdickung der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) und Erhöhung der Kontraktionsbereitschaft der Gebärmuttermuskulatur (Myometrium)
  • Gebärmutterhals (Zervix):
    • Vermehrte Produktion und Spinnbarkeit des sogenannten Zervixschleims, der den Transport der Spermien ermöglicht
    • Weitstellung des Gebärmutterhalses, um den Spermien den Weg zu bereiten
  • Scheide (Vagina):
    • Aufbau, Befeuchtung und Durchblutung der Vaginalschleimhaut
    • Förderung einer gesunden Scheidenflora
  • Brustdrüsen (Mammae):
    • Entwicklung und Vergrößerung der Brust und Aufbau der Milchdrüsen im Zusammenspiel mit Progesteron

Darüber hinaus fördern Östrogene die für Frauen typische Fettverteilung mit der Betonung bestimmter Körperregionen wie Hüfte und Gesäß. Hierdurch entsteht die typisch weibliche Körpersilhouette.

Östrogene zeigen auch geschlechtsunspezifische Wirkungen

Neben den geschlechtsspezifischen Funktionen können Sexualhormone auf viele weitere Prozesse im Körper einwirken. So regulieren die Östrogene nicht nur die Fortpflanzungsfunktion, sondern beeinflussen viele andere Bereiche des Organismus – sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Es gibt verschiedene Typen von Östrogenrezeptoren im Körper, deren Effekte auch vom Zusammenspiel mit anderen Botenstoffen abhängen. Deshalb sind im gesamten Organismus viele verschiedene biologische Wirkungen der Östrogene zu beobachten.

Hier einige Beispiele:

  • Knochen:
    Östrogene wirken auf die Erhaltung der Gesamtknochenmasse, indem sie Einfluss auf den Knochenstoffwechsel nehmen:

    • Sie aktivieren die sogenannten Osteoblasten: Diese Knochenzellen sind für den Aufbau und die Regeneration von Knochensubstanz verantwortlich. Sie spüren kleine Defekte im Knochengewebe auf und reparieren sie.
    • Sie verringern die Anzahl und Aktivität der sogenannten Osteoklasten: Diese Knochenzellen sind für den Abbau der Knochenmatrix zuständig.

    Unter dem Einfluss der Östrogene ist das Verhältnis von Knochenaufbau und Knochenabbau bei Frauen im fruchtbaren Alter ausgewogen. In der Postmenopause überwiegt hingegen durch den Östrogenmangel der Knochenabbau, das Frakturrisiko steigt.

  • Gefäßsystem:
    • Östrogene schützen vor Herz-Kreislauferkrankungen, indem sie z. B. den Blutdruck senken und den Fettstoffwechsel positiv beeinflussen.
  • Blutgerinnung:
    • Östrogene erhöhen die Synthese von Gerinnungsfaktoren, sodass durch sie eine erhöhte Gerinnungs- und Thromboseneigung bestehen kann.
  • Nieren:
    • In höheren Dosierungen können Östrogene zu einer vermehrten Natrium- und Wasserretention in der Niere führen. Dies bedeutet Natrium und Wasser werden in geringerem Maße ausgeschieden und es kommt zu Wassereinlagerungen im Gewebe.
  • Stoffwechsel:
    • Durch Förderung der Proteinsynthese haben Östrogene einen aufbauenden (anabolen) Einfluss.
  • Haare:
    • Östrogene schützen vor Haarausfall und sorgen im Umkehrschluss für gute Haardichte.
  • Gehirn:
    • Östrogene wirken über die Hemmung bestimmter Enzyme im Gehirn auf verschiedene Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin. Dies führt beispielsweise zu einer verstärkten Serotoninwirkung, wodurch sie antidepressiv wirken.
    • Östrogene sind wichtig für die Aufrechterhaltung normaler Hirnfunktionen, zum Beispiel für das Gedächtnis. Sie schützen vor degenerativen Erkrankungen wie Gedächtnisverlust und Demenzerkrankungen.
  • Haut:
    • Östrogene beeinflussen die Elastizität und Geschmeidigkeit der Haut durch Wirkung auf den Stoffwechsel von Hautzellen, die Neubildung von Kollagen und die Produktion von Hautfetten, sogenannte Lipide. Weiterhin fördern sie die Durchblutung der Haut und Schleimhäute.

Übersicht der Funktionen von Östrogen im Körper.

Was passiert, wenn der Östrogenspiegel sinkt?

Der Östrogenspiegel kann in verschiedenen Lebensphasen der Frau schwanken. Im Verlauf der Wechseljahre kommt die Estradiolproduktion nach und nach zum Erliegen und der körpereigene Estradiolspiegel nimmt bis zum Eintritt der letzten Regelblutung (Menopause) über mehrere Jahre fortlaufend ab. Der Mangel an Estradiol ist ein wesentlicher Faktor für die Beschwerden, besonders nach der Menopause (in der Postmenopause).

Doch bereits in der Perimenopause haben viele Frauen bereits Beschwerden. Das ist die Zeit, in der eine Frau vom gebärfähigen Alter in die Menopause übergeht. Estradiol wird noch gebildet und sie hat ihre Menstruation noch – wenn auch zunehmend unregelmäßig.
Als Auslöser werden die starken Schwankungen sowohl des Estradiol- als auch des Progesteronspiegels vermutet, bedingt durch die nachlassende Aktivität der Eierstöcke. Es werden immer weniger Östrogene und Progesteron ausgeschüttet. Dies hat zur Folge, dass das Gehirn vermehrt die Hormone FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) ausschüttet, die die Eierstöcke wieder zur Hormonproduktion anregen sollen. Dadurch kann es teilweise zu sehr hohen Estradiolspiegeln kommen, weil das Progesteron zu dieser Zeit besonders niedrig ist. Die hohen Spiegel können zu Beschwerden wie Brustspannen und -schmerzen führen. Fallen die erhöhten Estradiolspiegel mit Eintreten der Menstruation wieder ab, kommt es zu Hitzewallungen und Schweißausbrüchen.

Nicht bei allen Frauen führt der sinkende Östrogenspiegel in den Wechseljahren zu Beschwerden. Ein Drittel der Frauen kommt ohne klimakterische Symptome durch die Wechseljahre. Die anderen beiden Drittel leiden jedoch unter leichten oder gar starken Beschwerden.
So gerät durch die Hormonschwankungen unter anderem das vegetative Nervensystem aus dem Gleichgewicht. Es steuert die unbewusst ablaufenden Körperfunktionen, zum Beispiel den Herzschlag, die Atmung und den Stoffwechsel. Diese Dysbalance führt zu den charakteristischsten, häufigsten und belastendsten Symptomen der Wechseljahre wie zum Beispiel:

Des Weiteren können psychovegetative Symptome auftreten wie:

Ein Östrogenmangel führt zu einem steigenden pH-Wert in der Vagina, welcher wiederum zu Brennen und Jucken führen kann. Die gestörte Vaginalflora erleichtert zudem den Eintritt von Keimen und kann vermehrt zu Harnwegsinfekten führen. Die eingeschränkte Funktionalität der Schleimhäute kann zudem Inkontinenzbeschwerden begünstigen.

Durch die nachlassende Wirkung der Östrogene auf den Kollagenaufbau, die Durchblutung und die Versorgung von Flüssigkeit in den Gelenken, kommt es zu einer vermehrten Versteifung der Gelenke. Zusätzlich entfällt eine gewisse entzündungshemmende und schmerzhemmende Wirkung der Östrogene. Infolgedessen können Gelenkschmerzen auftreten.

Langfristig kann die sinkende körpereigene Estradiolproduktion in den Wechseljahren zu einer abnehmenden Schutzwirkung vor verschiedenen Erkrankungen führen. So steigt bei Frauen ab circa 50 Jahren beispielsweise das Risiko für das Auftreten von:

  • Osteoporose und osteoporosebedingten Frakturen, da der Knochenabbau dem Knochenaufbau überwiegt.
  • Arteriosklerose, da der positive Effekt der Östrogene auf Gefäße, Entzündungsreaktionen und Blutdruck entfällt.
  • Herzinfarkt und Schlaganfall durch arteriosklerotische Veränderungen der Gefäße.
  • Demenzerkrankungen: Hier wird ein Zusammenhang mit dem Östrogenmangel vermutet, unter anderem weil der schützende Einfluss von Östrogenen auf die Neuronen und die regulierende Wirkung auf die Energieversorgung im Gehirn sinkt.

Gleichgültig wie lange die Wechseljahre andauern – keine Frau muss die damit einhergehenden Beschwerden in den Wechseljahren und die Einschränkung der eigenen Lebensqualität hinnehmen. Dank moderner Therapieoptionen, wie beispielsweise einer Hormonersatztherapie, ist es möglich sich frühzeitig helfen zu lassen. So kann jede Frau diesen Lebensabschnitt positiv und selbstbestimmt erleben.

Geprüft von:
Martina Ehmen
[Medical Advisor]
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