Mit Beginn der Wechseljahre steigt das Risiko für das Auftreten von verschiedenen altersbedingten Erkrankungen, wie Osteoporose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Typ-2-Diabetes. Die Anwendung einer Hormonersatztherapie (engl.: Hormone Replacement Therapy = HRT) kann dieses Risiko verringern.
Osteoporose
Während des ganzen Lebens wird die Knochensubstanz auf- und abgebaut. Der Auf- und Abbau dient zur Erneuerung und dem Erhalt der Knochen. Bis zum 35. Lebensjahr liegt der Fokus auf dem Aufbau der Knochenmasse, die dann im höheren Alter langsam abnimmt. Diese Prozesse werden durch Hormone reguliert, dazu gehören vor allem Parathormon und Kalzitonin, die von der Schilddrüse/Nebenschilddrüse gebildet werden. Diese Hormone regulieren sich gegenseitig, werden bei Frauen aber außerdem durch Östrogene gesteuert. Durch den Wegfall der Östrogenproduktion in den Wechseljahren kann es bei Frauen in diesem Lebensstadium zu wesentlichen Veränderungen des Knochenstoffwechsels – mit einem verstärkten Abbau der Knochenmasse (Knochenschwund) – kommen.
Eine HRT kann einem hormonmangelbedingten Knochenschwund (Osteoporose) vorbeugen. Eine Vielzahl an Studien konnte zeigen, dass die Einnahme von Östrogenen einen positiven Effekt auf die Knochendichte hat und auch die Anzahl von Knochenbrüchen (Frakturen) reduziert. So wurde in der Million-Frauen-Studie eine Verminderung der Frakturhäufigkeit um 25 % nach transdermaler Anwendung von Estradiol beobachtet. Auch die groß angelegte Women’s Health Initiative (WHI)-Studie zeigte, dass durch eine Östrogen-Gestagen-Behandlung bei einer Therapiedauer von durchschnittlich 5,6 Jahren die Häufigkeit von Knochenbrüchen um 24 % gesenkt wurde. Schon sehr geringe Mengen an Östrogen reichen aus, um einen positiven Effekt auf den Knochenhaushalt zu bewirken.
Ergebnis der WHI-Studie: weniger Knochenbrüche (Frakturen) bei Anwendung einer Östrogen-Gestagen-Kombinationstherapie im Vergleich zur Placebo-Einnahme
24 %
geringeres
Frakturrisiko
33 %
weniger
Hüftfrakturen
35 %
weniger
Wirbelfrakturen
Referenz: Cauley, J., et al. (2003). Effects of estrogen plus progestin on risk of fracture and bone mineral density: the Women’s Health Initiative randomized trial. JAMA, 290(13): 1729–38.
Die Vorbeugung oder Behandlung der Osteoporose mittels einer HRT erfolgt in Deutschland in der Regel nur, wenn bei postmenopausalen Frauen Wechseljahresbeschwerden vorliegen bzw. ein hohes Risiko für Knochenbrüche besteht und eine Unverträglichkeit oder Gegenanzeige gegenüber anderen zur Osteoporoseprävention zugelassenen Medikamenten bekannt ist. Um einer Osteoporose vorzubeugen, sollten nach Empfehlung der Leitlinien regelmäßige körperliche Aktivitäten durchgeführt werden, sodass Muskelkraft und Koordination gefördert werden. Zudem ist eine ausreichende Zufuhr von Calcium über die Nahrung und die Versorgung mit Vitamin D essenziell. Lesen Sie hierzu mehr in unserer Rubrik „Ernährung“.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
In den postmenopausalen Jahren steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Eine Erkrankung des Herzens oder der Gefäße entwickelt sich meist langsam über einen längeren Zeitraum. Am Anfang sind nur minimale Veränderungen festzustellen, später bilden sich sogenannte atherosklerotische Plaques (Verkalkungen), die das Blutgefäß verengen können. An diesen Engstellen können sich Blutgerinnsel bilden und das Gefäß vollständig verschließen. Sind Gefäße im Gehirn betroffen, kann dies einen Schlaganfall nach sich ziehen. Treten die Blutgerinnsel in den Herzkranzgefäßen auf, können sie einen Herzinfarkt verursachen.
Es gibt mehrere Studien zum Einfluss der HRT auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zum Teil unterschiedliche Ergebnisse haben. Insgesamt zeigt die Analyse der Studien, dass ein frühzeitiger Beginn der HRT (vor einem Alter von 60 Jahren oder innerhalb 10 Jahren nach der letzten Regelblutung) bei herzgesunden Frauen einen positiven Effekt auf das Herz-Kreislauf-System haben kann. Ein negativer Effekt einer HRT ist unter anderem vom Gefäßzustand der Frau abhängig und bei vorgeschädigten Gefäßen ausgeprägter. Wird die Therapie begonnen, wenn sich bereits eine fortgeschrittene Atherosklerose entwickelt hat, können sich die positiven HRT-Wirkungen nicht mehr entfalten. Daher sprechen Expertinnen und Experten von einem günstigen Zeitfenster („Window of Opportunity“), in dem eine HRT begonnen werden sollte.
Nach heutigem Kenntnisstand sind niedrig dosierte Östrogene, die auf die Haut aufgetragen werden, bezüglich kardiovaskulärer Ereignisse sicherer als die Einnahme von Tabletten (vor allem bezüglich Schlaganfall und venöser Thromboembolie). Auch Gestagene können Einfluss auf die Gefäßgesundheit haben. Daher sollte, wenn möglich, ein gefäßneutrales Gestagen wie zum Beispiel natürliches Progesteron bevorzugt werden.
Typ-2-Diabetes
Diabetes ist eine Volkskrankheit. Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe wurden im Jahr 2023 bei mindestens 8,9 Millionen Menschen in Deutschland ein Typ-2-Diabetes dokumentiert. Darüber hinaus spricht der „Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024“ von 32.000 Kindern und Jugendlichen sowie 340.000 Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes. Die Dunkelziffer der Diabetes-Betroffenen wird auf mindestens 2 Millionen Menschen geschätzt.
Jedoch zeigen Studien, dass eine Hormonersatztherapie (HRT) das Risiko für das Auftreten eines Typ-2-Diabetes um circa 30 % reduzieren kann. Aber auch bei vorhandenem Typ-2-Diabetes kann die HRT positive Effekte zeigen, da sich durch die Behandlung mit Östrogenen verschiedene Zucker- und Fettwerte verbessern.
Dickdarmkrebs (Kolonkarzinom)
Circa jede achte Krebserkrankung betrifft den Darm, dabei werden fast zwei Drittel im Dickdarm entdeckt. Insgesamt sind Männer dabei häufiger betroffen als Frauen – etwa einer von 15 Männern und eine von 18 Frauen erkrankt dabei an einem Kolonkarzinom. Studien weisen darauf hin, dass die weiblichen Sexualhormone dafür verantwortlich sind, dass Frauen seltener erkranken und dass die weiblichen Sexualhormone das Risiko für die Entstehung eines Kolonkarzinoms verringern können.
Da die HRT den wechseljahresbedingten Östrogenmangel ausgleicht, kann sich die HRT positiv auf das Dick- und Enddarmkrebsrisiko auswirken, wie in einer Zusammenfassung von mehreren Studien herausgefunden werden konnte. Bei Anwenderinnen, die nur eine Östrogentherapie bekamen, war das Risiko für Dick- und Enddarmkrebs um 21 % reduziert im Vergleich zu Nichtanwenderinnen; bei Anwenderinnen einer kombinierten HRT mit Gestagen, sogar um 26 %. Weitere Daten weisen darauf hin, dass das Risiko für andere Krebsarten des Magen-Darm-Trakts ebenfalls reduziert sein kann. Dazu gehören beispielsweise Krebserkrankungen der Speiseröhre, des Magens oder auch der Leber.
Demenz & Morbus Alzheimer
Es wird noch diskutiert, ob durch die hormonellen Veränderungen vor und nach der Menopause die kognitiven Fähigkeiten, wie z. B. Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit oder eine mangelnde Aufmerksamkeit, tatsächlich beeinträchtigt werden. Vor allem das fortgeschrittene Lebensalter stellt einen Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz dar. Eine Million Menschen über 65 Jahren leiden in Deutschland an dieser Erkrankung.
Ob nun eine HRT Demenzerkrankungen fördern kann oder eher verhindert, war lange Zeit unklar. Nun weisen verschiedene Faktoren auf ein „frühes günstiges Zeitfenster“ hin: Durch den rechtzeitigen Einsatz einer HRT innerhalb dieses Zeitfensters wird das Demenzrisiko nicht erhöht; das Risiko für einen Morbus Alzheimer kann dadurch vermutlich sogar gesenkt werden. Dagegen erhöht eine spät begonnene HRT bei Frauen über 65 Jahren wahrscheinlich aufgrund der bereits eingetretenen Gefäßveränderungen das Risiko einer Demenz.
Reduzierte Lungenfunktion in den Wechseljahren
Neue Erkenntnisse zeigen, dass die Lungenfunktion bei Frauen in den Wechseljahren nachweisbar schneller als erwartet – über den altersbedingten Rückgang hinaus – abnimmt. Die Abnahme ist dabei nicht abhängig von anderen Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht. Den Effekt kann man sich folgendermaßen vorstellen: Die Abnahme der Lungenfunktion in den Wechseljahren entspricht insgesamt in etwa der Schädigung der Lunge durch das Rauchen von 20 Zigaretten pro Tag über einen Zeitraum von zehn Jahren. Die aktuelle Studienlage bestätigt, dass eine HRT bei Frauen in den Wechseljahren die Abnahme der Lungenfunktion deutlich reduzieren kann.
Prof. Dr. Christoph Keck, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
Prof. Dr. Christoph Keck, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit dem Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, erläutert den positiven Effekt einer HRT auf das Lungenvolumen im Interview.